Anstatt Hörensagen und allgemeiner Panik hier mal eine zielgerichtete Analyse der Daten für Braunfels:
Kategorie: Braunfels
Unsere Stadtverordneten haben einmütig die neuen Hebesätze für die Grundsteuer festgelegt. Der Hebesatz beträgt zukünftig 360% für Grundsteuer B. Alle Appelle, die Grundsteuerreform nicht für verstecke Steuererhöhung auszunutzen, waren zwecklos. Die hessische Finanzverwaltung hatte Hebesatzempfehlungen ausgesprochen.
Für eine aufkommensneutrale Umsetzung wären in Braunfels 350% erforderlich gewesen. Gut, jetzt sind es 360% geworden, macht eine Steuererhöhung von 2,8%.
Besonders frech ist aber ein Artikel aus dem CDU-nahen „Wetzlar Kurier“ im Zusammenhang mit der Bürgermeisterwahl in Braunfels:

Wer dies liest, glaubt doch, dass die Grundsteuer gesenkt wurde. Aber so geht Wählerfang durch Volksverdummung.
Am 23.05.2024 ist der Kommunalpolitik in Braunfels wieder einmal ein Glanzstück in Sachen Klimapolitik gelungen. Einstimmig wurde von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen, sich an der EAM EnergiewendePartner GmbH (EWP) zu beteiligen. Diese Gesellschaft gehört zu 51% der EAM, einem Energieversorger und Stromnetzbetreiber.
Die Stadt Braunfels zahlt für 0,5 % Anteil an der EWP 15.000 €. Das ist schon verwunderlich, da das Stammkapital der EWP nur 100.000 € beträgt. Nominal wären folglich 500 € angemessen.
Darüber hinaus hat die Stadt Braunfels einen 3-jährigen Kooperationsvertrag mit der EWP beschlossen. Für 18 Beratertage sind dafür 19.040 € fällig. Macht 1057,78 € pro Tag. Angaben über die Qualifikation eines Beraters enthält der Vertrag nicht.
Warum macht man das?
Aus Sicht der Verwaltung ist dieses Konstrukt bequem. Die Stadt kann die die EWP einfach so beauftragen, es ist sozusagen ein „Eigenbetrieb der Stadt Braunfels“. Eine Ausschreibung von Leistungen ist nicht erforderlich. Man spart sich eine konkrete Beschreibung dessen, was man eigentlich braucht und möchte.
Den Bock zum Gärtner gemacht
Die EAM ist immer noch i.w. ein Elektrizitätsbetrieb, der Name bedeutete ursprünglich „Elektrizitäts-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland“.
Das dieser Betrieb die Energiewende im Sinne des Bürgers und des Klimaschutzes vorrangbringt ist zweifelhaft. Es ist ungefähr so, als würde man die Lufthansa mit der Verkehrswende beauftragen. Oder die Pharmaindustrie mit der Reform des Gesundheitswesens.
Was das auf nationaler und internationaler Ebene bedeutet, können wir ja gerade im Krieg in der Nachbarschaft sehen. Allerdings ist das kein spezifisches Problem von „denen da-oben“, so etwas lässt sich auch auf kommunaler Ebene beobachten.
Ein modernes Schwimmbad…
wäre ein großartiges Symbol für die Zukunft der Stadt. Deshalb wurden am 27. Januar 2022 in der Stadtverordnetenversammlung Braunfels einstimmig Planungskosten für das Freibad bewilligt. Entscheidungsgrundlage ist u.a. ein Gutachten „Modernisierung Freibad Braunfels“, erstellt im September 2021 von einem Ingenieurbüro.
Tempus fugit
Dabei werden auch Maßnahmen zur Energieeinsparung betrachtet. Dumm nur, wenn sich die Energiepreise seit Erstellen des Gutachtens geändert haben. Im Gutachten wird mit 4,75 ct/kWh (zzgl. MwSt.) kalkuliert. Auch am Tag der Sitzung, Ende Januar 2022, hatte dieser Preis bereits nichts mehr mit der Realität zu tun, die lag eher beim dreifachen Preis. So werden Maßnahmen, die im Gutachten als unwirtschaftlich eingestuft werden, auf einmal wirtschaftlich interessant, z.B. eine Beckenabdeckung.
Dieser Effekt hat sich durch den Krieg noch verstärkt. Gut, im Nachhinein ist man immer schlauer. Zwei Tatsachen zu diesem „Gutachten“ bleiben:
- Jeder hätte erkennen können, dass Empfehlungen zur Energieeffizienz auf einer falschen Kalkulationsgrundlage beruhen.
- Das „Gutachten“ strotzt nur so von Fehlern, z.B. werden oft Leistung und Energie verwechselt. Es zeugt weder von Kompetenz noch von Sorgfalt. Wer so ein Gutachten abnimmt und von Steuergeldern bezahlt, dem fehlt es ebenfalls an Sorgfalt und Kompetenz.
Bleibt zu hoffen, dass die bewilligten Planungskosten nicht an das gleiche Ingenieurbüro gehen, das das Gutachten verfasst hat.
Fazit
Man sollte Durchlesen worüber man abstimmt. Und vielleicht dagegen stimmen, wenn die Realität es gebietet.
Der von der Stadt Braunfels beschlossen Klimaaktionsplan orientiert sich am Musteraktionsplan des Landes Hessen. Er ist inhaltlich dürftig und verwirrend.
Prüfen statt machen
Im Abschnitt „Beschlüsse in den kommunalen Gremien“ finden sich fast ausschließlich Formulierungen wie „der Magistrat der Stadt Braunfels wird beauftragt, zu prüfen…“. Konkrete Maßnahmen: Fehlanzeige.
Bilanz
Die CO2-Startbilanz für die Kommune fehlt leider – Softwarelizenz: Fehlanzeige.
Stattdessen gibt es den Energieverbrauch der kommunalen Liegenschaften aus dem Jahr 2020: Strom und Heizenergie (Gas und Flüssiggas, Heizöl, Pellets). Irgendwie ist der Fuhrpark abhandengekommen, Angaben zum Kraftstoffverbrauch: Fehlanzeige.
Umrechnung der Energieverbräuche auf CO2-Emission: Fehlanzeige.
Geplante Maßnahmen und Projekte
Es sind 14 Projekte aufgeführt. Die Beschreibung von Projekt 4 (Heizung Feuerwehr Bonbaden) ist wohl beim Scannen verschluckt worden. Bei 6 Projekten wurden konkrete CO2-Minderungspotenziale angegeben. Bei den anderen 8 Projekten: Fehlanzeige.
Sonnenschein
Von den 6 konkretisierten Projekten sind 4 Vermietungen von Dachflächen an einen Verein, der dort Solarstrom erzeugen möchte. Dieser Verein dient als Mittler zwischen Kapitalanlegern und Flächenanbietern. Die angegeben CO2-Einsparungen beziehen sich auf den Strommix von 1990 (764 g/kWh). Würde man den Strommix von 2020 (366 g/kWh) ansetzen wäre die Einsparung nur halb so groß. Da die Stadt seit 2017 sowieso Ökostrom bezieht ergibt sich rechnerisch überhaupt keine CO2-Reduktion für den städtischen Verbrauch.
Bleiben noch 2…
Maßnahmen mit konkreter CO2-Einsparung. Beides sind Heizungsanlagen in fortgeschrittenem Alter:
- Projekt 2, Feuerwehr Philippstein, Baujahr 1993
- Projekt 11, Schwimmbad Braunfels, Baujahr 1986.
Nur beim Schwimmbad hat man sich die Mühe gemacht ein Einsparpotential von 6 t zu benennen. Wie man von 22.000 kWh Verbrauch auf eine CO2-Reduktion von 6 t kommt, bliebt wohl ein Geheimnis. Bei einer Erdgasheizung wären es nach Angaben des Umweltbundesamtes (S. 47: 55,9 t CO2/TJ = 201 g CO2/kWh) nur 4,5 t.
Uns Bürgern den Austausch uralter Heizungsanlagen als proaktiven Klimaschutz verkaufen zu wollen ist schon frech.
Fazit
So wird das nix mit dem Klimaschutz in Braunfels.
Am 11.11.2021 (wie passend) hat die Stadtverordnetenversammlung den Aktionsplan zum Bündnis Hessen aktiv: Die Klima-Kommunen einstimmig beschlossen.
Inhaltlich will ich jetzt nichts dazu schreiben, doch das Formale lässt nichts Gutes erahnen. Erstellt wurde der Aktionsplan von einem Ausdrucker-und-wieder-Einscanner. Bei dem Schriftbild hätte ich mir die Investition in einen 4k-Monitor sparen können. Die Dateigröße ist dadurch doppelt so groß wie die der Bibel, da fragt man sich, was mehr Content enthält. Suchen funktioniert deshalb auch nicht. Bezüglich Digitalisierung in der Verwaltung liegt noch ein langer Weg vor uns…

Die Rechtschreibprüfung der Textverarbeitung schützt nicht vor elementaren Verständnislücken. Die Schreibweise chemischer Formeln wird in Hessen im 9. Schuljahr durchgenommen, der Unterschied zwischen Energie und Leistung im 10. Schuljahr.
Fehler passieren, man sollte aber eigentlich glauben, dass so ein Dokument einmal Korrektur gelesen wird. Und das vielleicht von jemandem, dessen Realschulabschluss noch nicht ewig her ist. In dieser Form vermittelt der Plan weder Sorgfalt noch Kompetenz.